Unglaubwürdige Evaluierungen bei der EU-Kohäsionspolitik

Gebäude mit Flaggen der EU-Mitgliedsstaaten
Foto LUKAS S/UNSPLASH

Die EU-Strukturpolitik soll die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten verringern. Eine neue Studie deckt Verbesserungspotenzial bei der Erfolgskontrolle auf.

19.06.2024 · News · ifo Institut Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V. · ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung · Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften · Forschungsergebnis

Die EU-Kohäsionspolitik soll die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten verringern. Es fehlen jedoch eindeutig definierte Ziele und einheitliche Standards für die Evaluierung der Programme. Evaluierungen werden in der Regel von nationalen oder regionalen Verwaltungsbehörden in Auftrag gegeben, die ein Interesse daran haben, den Erfolg ihrer Programme zu beweisen. Das verringert die Glaubwürdigkeit der Erfolgskontrollen.

Zu diesen Ergebnissen kommt ein Team des ZEW Mannheim und des ifo Instituts auf Basis von Daten der Cohesion Open Data Platform, die mehr als 2.500 Evaluierungen der Mitgliedstaaten aus den letzten beiden Programmperioden enthält. Die Forscher empfehlen, ein europäisches Beratungsgremium zur Evaluierung der Strukturpolitik einzusetzen.

„Die EU-Kohäsionspolitik benötigt eine transparente und unparteiische Evaluation, um sicherzustellen, dass die Mittel effizient eingesetzt und die angestrebten Ziele erreicht werden“, erklärt Friedrich Heinemann, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“. „Die Anwendung fortschrittlicher Evaluierungsmethoden und die Förderung der faktischen Unabhängigkeit der evaluierenden Personen sind Schlüsselfaktoren für eine effektive Kohäsionspolitik in der EU.“ Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, ergänzt: „Bisherige Evaluierungen, die diese Standards nicht erfüllen, berichten teils unrealistisch hohe Wirkungen der Kohäsionspolitik und verwenden dafür wenig geeignete Methoden.“

Transparenz und Objektivität müssen hergestellt sein

Die Forscher/innen fordern, dass die Methoden zur Evaluierung genauer definiert werden müssen. Außerdem sind die Mitgliedstaaten zu verpflichten, ausreichende Ressourcen für ihre Evaluierungsprozesse bereitzustellen. Zudem sollte ein „Evaluierung zuerst“-Prinzip eingeführt werden, nach dem die Anpassungen von Kohäsionsprogrammen auf den Ergebnissen früherer Evaluationen basieren. Darüber hinaus wird die Einführung einer „Charta für Gutachter/innen“ empfohlen, die Mindeststandards für Evaluationen festlegt. All diese Forderungen zielen darauf ab, die Transparenz von Evaluierungsprozessen zu erhöhen, um eine fundierte Entscheidungsfindung und eine effektive Nutzung von Evaluierungsergebnissen zu gewährleisten.

Mehr grenzüberschreitende Evaluationen

In Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sehen die Forscher/innen deutliches Potenzial für weitere Verbesserungen. Derzeit fehlt es an grenzüberschreitenden Teams bei der Erarbeitung von Evaluationen. Dazu schlagen sie vor, bei Ausschreibungen Mindestanforderungen an die Internationalität von Evaluationsteams zu stellen, wenn es um große Kohäsionsprogramme geht. Auch sollten die Evaluationen der Mitgliedstaaten einem Peer-Review unterworfen werden, in das auch Expert/-innen aus anderen Mitgliedstaaten einbezogen werden.

Originalpublikation

https://ftp.zew.de/pub/zew-docs/policybrief/en/pb08-24.pdf

Weitere Informationen und Kontakt

Pressemitteilung des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

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