Leibniz-Senat nimmt zu vier Einrichtungen in Hamburg, Bonn, Berlin und Trier Stellung

Der Senat der Leibniz-Gemeinschaft hat auf seiner Sitzung am 15. Juni 2005 in Berlin die weitere Förderung von drei Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft - der Berliner Elektronenspeicherring-Gesellschaft für Synchrotronstrahlung m.b.H. (BESSY), dem Deutschen Institut für Erwachsenenildung (DIE) in Bonn sowie dem Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation (ZPDI) in Trier - empfohlen. Das Hamburgische Weltwirtschafts-Archiv (HWWA) hingegen wird nicht weiter mit Hil­fe öffentlicher Mittel durch Bund und Länder gefördert und aus der Leibniz-Gemeinschaft ausscheiden.

16.06.2005 · Pressemeldung · Leibniz-Gemeinschaft - Evaluierung

Der Berliner Elektronenspeicherring-Gesellschaft m.b.H. (BESSY) wurde von der internati­onal zusammengesetzten Gutachtergruppe äußerst erfolgreiche Arbeit bescheinigt. Mit der Serviceeinrichtung BESSY steht nach Auffassung des Leibniz-Senats der Forschung eine inter­national wettbewerbsfähige Synchrotronstrahlungsquelle der dritten Generation zur Verfügung, deren Forschung zur internationalen Spitze gehört mit Pionierleistungen, die weltweit anerkannt sind. Damit die erfolgreiche Arbeit aufrechterhalten werden kann, müssen zukünftig einige Rah­menbedingungen besser ausgestaltet werden. Wenn BESSY im internationalen Wettbewerb attraktiv bleiben soll, ist eine personelle Aufstockung des wissenschaftlich-technischen Perso­nals unabdingbar. Ein zweiter Wettbewerbsnachteil liegt darin, dass für allgemeine Nutzer ein Entgelt für Strahlzeiten erhoben wird. Dies ist international nicht üblich. Aus diesem Grund emp­fiehlt der Senat der Leibniz-Gemeinschaft eine Personalaufstockung sowie eine zumindest eu­ropaweit einheitliche Regelung für die Gebührenerhebung bei Strahlungsquellen. Eine Einglie­derung von BESSY in eine Hochschule wird nicht empfohlen. Mit ihrem Arbeitsauftrag und ihren Arbeitsschwerpunkten ist BESSY überregional von Bedeutung und von gesamtstaatlichem wis­senschaftspolitischen Interesse.

Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) erbringt forschungsbasierte Service­leistungen für die Erwachsenenbildung, die trägerunabhängig auf Wissenschaft, Praxis und

Weiterbildungspolitik ausgerichtet sind. Seine von der Bewertungsgruppe sehr positiv bewerte­ten Serviceleistungen sind für Wissenschaft und Praxis der Erwachsenenbildung sowie für die Bildungspolitik nach Auffassung des Leibniz-Senats unverzichtbar. Die Fortschritte des DIE seit der letzten Evaluierung werden von der Gutachtergruppe positiv bewertet. Hinsichtlich der For­schungs-und Publikationsleistungen in nationalen und internationalen referierten Zeitschriften besteht noch Verbesserungspotential, aber die Serviceleistungen des DIE werden als qualitativ hochwertig und nutzergerecht ausgerichtet beurteilt. Die ausgeprägte Kundenorientierung wird durch die kontinuierlich steigende Nachfrage nach verschiedenen Leistungen, z. B. Internetser­vice und Beratung, bestätigt. Das DIE hat in den letzten Jahren auch über die nationalen Gren­zen hinaus an Sichtbarkeit gewonnen. Seine Aktivitäten mit europäischer Ausrichtung sollten aufrechterhalten und intensiviert werden. Die Serviceleistungen des DIE dienen dazu, die Inte­ressen von Einrichtungen und Trägern der Weiterbildung zu bündeln sowie die Vernetzung von Wissenschaft, Praxis und Politik der Weiterbildung zu fördern – zurzeit schwerpunktmäßig bun­desweit, in zunehmendem Maße aber auch auf europäischer Ebene. Diese Serviceleistungen könnten nicht von einer Hochschuleinrichtung erbracht werden, sodass die Eingliederung in ei­ne Hochschule nicht zu empfehlen ist. Mit seinem Arbeitsauftrag und seinen Arbeitsschwer­punkten ist das DIE von überregionaler Bedeutung und gesamtstaatlichem wissenschaftspoliti­schen Interesse.

Das Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation in Trier (ZPID) ist eine wichtige Serviceeinrichtung für die psychologische Forschung im deutschsprachigen Raum. Die vom ZPID entwickelten und angebotenen Datenbanken und Verzeichnisse sind für die Disziplin – ergänzend zu internationalen Produkten – von großer Bedeutung und werden intensiv nach­gefragt. Die Gutachtergruppe beurteilte auch das Web-Portal des ZPID positiv, es soll ihrer Meinung nach weiter ausgebaut und bekannt gemacht werden. Seit der Evaluierung durch den Wissenschaftsrat hat sich die informationstechnologische Ausstattung des ZPID stark verbes­sert und ist heute als vorbildlich zu bezeichnen. Dem ZPID wird empfohlen, seine derzeit sehr breit angelegte Produktpalette stärker zu fokussieren und eine mittel- bis langfristige Entwick­lungsstrategie zu erarbeiten. Bei der Weiterentwicklung der Angebote sollten drei Anforderun­gen berücksichtigt werden: (1) Die Produktentwicklung sollte sich an den zielgruppenspezifi­schen Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer sowie an den Kernkompetenzen des ZPID ori­entieren; dabei sollten innovative Produkte verstärkt in Kooperation mit anderen Partnern entwi­ckelt werden. (2) Das ZPID sollte sich intensiver als bisher auch angrenzenden Disziplinen öff­nen und seine Dienstleistungen dort platzieren. (3) Die Serviceleistungen sollten sich verstärkt an internationalen Anforderungen orientieren und im europäischen Kontext weiterentwickelt werden; dies schließt den Aufbau eines europäischen Dokumentationssystems ein, auch hier wiederum nicht eigenständig, sondern mit kompetenten Partnern.

Der Senat der Leibniz-Gemeinschaft empfiehlt Bund und Ländern, die drei genannten Institute BESSY, DIE und ZPID als Serviceeinrichtungen für die Forschung weiter auf der Grundlage der „Ausführungsvereinbarung Forschungseinrichtungen“ gemeinsam zu fördern.

Das Hamburgische Weltwirtschafts-Archiv HWWA ist das erste Institut der Leibniz-Gemein­schaft, bei dem der Senat aufgrund eines nicht überzeugenden Evaluierungsergebnisses emp­fiehlt, die gemeinsame Förderung als eigenständige Einrichtung auf Grundlage der „Ausfüh­rungsvereinbarung Forschungseinrichtungen“ nicht fortzusetzen.

Nachdem der Leibniz-Senat im letzten Jahr nur eine vorläufige Empfehlung zur Weiterförderung des HWWA abgegeben hatte, wurde nun die abschließende Förderempfehlung beschlossen. Die vorläufige Empfehlung aus dem Jahr 2004 sah u. a. eine Prüfung der Frage vor, ob For­schungsbereiche des HWWA in das Institut für Weltwirtschaft überführt und dort weitergefördert werden sollten. Diese Frage wurde nun in der abschließenden Förderempfehlung endgültig ne­gativ beantwortet.

Bereits 1996 hatte das HWWA ein sehr kritisches Evaluierungsergebnis erhalten. Der Wissen­schaftsrat hatte in seinem Gutachten von 1996 daher empfohlen, das Forschungsinstitut HWWA in eine Serviceeinrichtung für die wirtschaftswissenschaftliche Informationsversorgung zu überführen. Dementsprechend standen bei der Evaluierung durch den Leibniz-Senat im Jahr 2003 Kriterien wie Wissenschaftsbasierung der Informationsangebote, Leistungsfähigkeit der Infrastruktur, Nutzerorientierung, Kundenakzeptanz und Marktfähigkeit der Serviceprodukte im Vordergrund. Die aktuelle Evaluierung zeigte, dass das HWWA nur unzureichend in der Lage ist, den notwendigen zentralen Beitrag für die Informationsversorgung in Wirtschaftswissen­schaften, Wirtschaftspraxis und Wirtschaftspolitik zu erbringen; ebenso ist ein vorgezeichneter Entwicklungsweg in diese Richtung nicht erkennbar. Damit hat das Institut die ihm übertragene Aufgabe, forschungsbasierten Service zu erbringen, nicht hinreichend erfüllt. Statt dessen hat die HWWA-Forschung  an wissenschaftlicher Qualität gewonnen. Um diesen Forschungsberei­chen eine Chance zu geben, wurde deren Integration in das Institut für Weltwirtschaft in Kiel in Erwägung gezogen. Die Eingliederung von HWWA-Forschungsbereichen würde allerdings die anstehende Neuausrichtung des Kieler Instituts zusätzlich erschweren. Eine Integration der er­folgreicheren Forschungsbereiche des HWWA in das Kieler Institut wird vom Senat daher nicht empfohlen. Die Bibliothek des HWWA  soll in die Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaf­ten in Kiel (ZBW) integriert werden, die ebenfalls eine Einrichtung der Leibniz-Gemeinschaft ist. Hierfür wurde bereits eine Lenkungsgruppe gebildet, die diesen Integrationsprozess begleitet. Im Gegensatz zur Zukunft der HWWA-Bibliothek ist die der Zeitschriften-Archive des HWWA noch offen: Inwieweit diese dann im Rahmen der ZBW fortgeführt werden sollen, ist noch nicht endgültig entschieden. Die ZBW ist gebeten, in drei Jahren über den erreichten Stand der Zu­sammenführung den Zuwendungsgebern und dem Senat der Leibniz-Gemeinschaft zu berich­ten.

Der Senat der Leibniz-Gemeinschaft evaluiert in einem Zeitraum von maximal sieben Jahren die Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft. Der Senat ist extern besetzt, das Evaluierungsver­fahren strikt unabhängig. Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe hat der Leibniz-Senat den Se­natsausschuss Evaluierung eingesetzt. Der Leibniz-Senat dankt an dieser Stelle dem Se­natsausschuss für die geleistete Arbeit. Auf der Grundlage der Senatsstellungnahmen stellen Bund und Länder in der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförde­rung (BLK) fest, ob die Voraussetzungen für die weitere Förderung der Leibniz-Einrichtungen gegeben sind. Um die Evaluierungen der Institute durchzuführen, setzt der Senat Bewertungs­gruppen ein, die aus international renommierten und unabhängigen Wissenschaftlern zusam­mengesetzt sind. Die Bewertungsgruppen besuchen die Institute und bilden sich anschließend auf der Grundlage von Textmaterialien, Institutsdaten sowie Interviews und Diskussionen mit den Institutswissenschaftlern eine Meinung über die wissenschaftliche Qualität und Bedeutung der Einrichtung. Die Evaluierungsergebnisse werden in einem Bewertungsbericht dokumentiert, der die Grundlage für die Stellungnahme des Senats zur Weiterförderung einer Einrichtung bil-det. Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören 84 außeruniversitäre Forschungsinstitute und Service­einrichtungen für die Forschung. Leibniz-Institute arbeiten nachfrageorientiert, interdisziplinär und im gesamtstaatlichen Interesse. Die Institute beschäftigen rund 12.400 Mitarbeiter, ihr Ge­samtetat beträgt 950 Millionen Euro. Sie werden gemeinsam von Bund und Ländern finanziert.

Die Senatsstellungnahmen im Wortlaut finden Sie hier.