Leibniz-Promotionspreis geht nach München und Saarbrücken

Auf ihrer Jahrestagung in Berlin hat die Leibniz-Gemeinschaft die herausragenden Doktorarbeiten des Historikers Carlos Alberto Haas aus München in der Kategorie Geistes- und Sozialwissenschaften sowie der Materialforscherin Aleeza Farrukh aus Saarbrücken in der Kategorie Natur- und Technikwissenschaften mit ihrem Leibniz-Promotionspreis ausgezeichnet. Die Dissertationen beschäftigen sich mit dem Leben in jüdischen Gettos während des Zweiten Weltkriegs und mit dynamischen Biomaterialien zur Regeneration von Nervenzellen.

29.11.2018 · Pressemeldung · Leibniz-Gemeinschaft

Dr. Carlos Alberto Haas (33) vom Institut für Zeitgeschichte München‑Berlin untersuchte in seiner Dissertation zum Thema „Das Private im Getto. Transformationen jüdischen privaten Lebens in den Gettos von Warschau, Litzmannstadt, Tomaschow und Petrikau 1939-1944“ den Wandel, dem das private Leben jüdischer Gettobewohner im von Deutschland besetzten Polen unterlag. Wesentliche Grundlage der Arbeit sind zeitgenössische „Ego-Dokumente“, also Tagebücher, Briefe, Postkarten und Ähnliches. Damit leistet Carlos Haas' Arbeit einen wichtigen Beitrag zur jüngsten Gettoforschung, die den Blick auf die Opfer richtet und nicht – wie lange Zeit – auf die Täter. Da von Privatheit im heute landläufigen Verständnis in den jüdischen Gettos kaum die Rede sein konnte, definierte Carlos Haas den Begriff als Set sozialer Praktiken, mit denen je nach Situation Nähe oder Distanz hergestellt wurde. Haas‘ Analyse ergab dabei, dass sich private und öffentliche Praktiken häufig konterkarierten: So konnten ursprünglich öffentliche Dinge wie Schulunterricht oder Gottesdienste nur noch in geschützten Räumen mehr oder weniger verborgen stattfinden, während etwa vertrauliche Gespräche aufgrund der drängenden Fülle in den Wohnunterkünften nur noch im öffentlichen Raum möglich waren. Gerade das Schreiben eröffnete vielen Gettobewohnern eine Möglichkeit, in einer fremdbestimmten Umwelt einen Ausdruck von Selbstbestimmung und Autonomie zu finden. So legt die Arbeit auch dar, dass die betroffenen Juden nicht nur passive Opfer waren, sondern trotz der existenzbedrohenden Situation durchaus aktiv versuchten, eigene „private“ Prioritäten zu setzen.

Carlos Haas studierte Mittlere und Neuere Geschichte sowie Musikwissenschaft an der Universität Heidelberg und Rom. Das Promotionsvorhaben am Institut für Zeitgeschichte und der Ludwig-Maximilians-Universität München fand im Kontext eines größeren Forschungsprojekts „Das Private im Nationalsozialismus“ statt, das über den Leibniz-Wettbewerb gefördert wurde.

Publikation

Carlos Haas: Das Private im Getto. Transformationen jüdischen privaten Lebens in den Gettos von Warschau, Litzmannstadt, Tomaschow und Petrikau 1939-1944. (erscheint 2019 im Verlag De Gruyter/Oldenbourg)

www.ifz-muenchen.de/das-institut/mitarbeiterinnen/ea/mitarbeiter/carlos-a-haas/

Dr. Aleeza Farrukh (31) vom INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien befasste sich in ihrem Promotionsvorhaben „Photo-Triggerable Laminin Mimetic Peptides for Directional Neural Regeneration“ mit instruktiven Biomaterialien zur räumlichen Ausrichtung des Wachstums und der Differenzierung neuronaler Stammzellen. Das Themenfeld der Arbeit umfasste dabei die chemische Synthese von Schlüsselmolekülen, die Entwicklung von Biomaterialien sowie die zellbiologische Untersuchung an empfindlichen primären Nervenzellen. Aleeza Farrukh entwickelte durch Licht steuerbare Biomaterialien (Peptide), die in der Lage sind, das Wachstum von Nervenzellen durch ein künstliches Gerüst, das die natürliche Mikroumgebung einer Zelle (extrazellulären Matrix) simuliert, räumlich zu steuern. Damit leistete sie einen relevanten Beitrag für die nächste Generation von Therapien in der Regeneration von Nervenzellen.

Nach einem Chemiestudium an der Universität von Punjab in Pakistan kam Aleeza Farrukh 2013 als Doktorandin nach Deutschland und setzte ab 2015 ihre Arbeit am INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien in Saarbrücken fort. Das Promotionsvorhaben erfolgte in enger Zusammenarbeit mit der Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Zurzeit ist Aleeza Farrukh als Post-Doc im Programmbereich Dynamische Biomaterialien des INM tätig.

Publikationen

Farrukh, Aleeza; Zhao, Shifang; Paez, Julieta I.; Kavyanifar, Atria; Salierno, Marcelo; Cavalié, Adolfo; del Campo, Aránzazu: In Situ, Light-Guided Axon Growth on Biomaterials via Photoactivatable Laminin Peptidomimetic IK(HANBP)VAV. ACS Applied Materials & Interfaces 2018, xxx (xxx), xxx. DOI: 10.1021/acsami.8b15517.

Farrukh, Aleeza; Ortega, Felipe; Fan, Wenqiang; Marichal, Nicolás; Paez, Julieta I.; Berninger, Benedikt; del Campo, Aranzazu; Salierno, Marcelo J.: Bifunctional Hydrogels Containing the Laminin Motif IKVAV Promote Neurogenesis. Stem Cell Reports 2017, 9 (5), 1432-1440.

DOI: https://doi.org/10.1016/j.stemcr.2017.09.002

Farrukh, Aleeza; Paez, Julieta I.; Salierno, Marcelo; del Campo, Aránzazu: Bioconjugating thiols to poly(acrylamide) gels for cell culture using methylsulfonyl co-monomers. Angewandte Chemie-International Edition 2016, 55 (6), 2092-2096.

DOI: https://doi.org/10.1002/anie.201509986

www.leibniz-inm.de/mitarbeiter/farrukh-aleeza/

Der Promotionspreis der Leibniz-Gemeinschaft

Der Promotionspreis der Leibniz-Gemeinschaft wird jährlich für die besten Doktorarbeiten aus Leibniz-Instituten in den Kategorien „Geistes- und Sozialwissenschaften“ und „Natur- und Technikwissenschaften“ vergeben. Er ist mit jeweils 3.000 Euro dotiert. Die Auswahl der Preisträgerinnen und Preisträger trifft die elfköpfige Leibniz-Preisjury, die aus Personen des öffentlichen Lebens und leitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter dem Vorsitz von Leibniz-Präsident Matthias Kleiner besteht, aus den Vorschlägen der wissenschaftlichen Sektionen der Leibniz-Gemeinschaft.

Mehr Info

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