Isolierter Nachrichtenkonsum

Junger Mann sitzt auf einer Mauer vor einem Banner mit Reuters Nachrichten und schaut auf sein Smartphone.
Foto JAMES FREWIN/UNSPLASH

Menschen konsumieren bei Online-Nachrichten am liebsten leichte Kost. Und wenn doch Politik, dann bitte im Einklang mit der eigenen politischen Überzeugung – so die Ergebnisse einer neuen Studie.

25.09.2024 · News · GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften · Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften · Forschungsergebnis

Im digitalen Zeitalter zeigen sich deutliche individuelle Unterschiede im Online-Nachrichtenkonsum, insbesondere in Bezug auf politische Inhalte. Eine neue Studie des GESIS – Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften in Zusammenarbeit mit der Universität Mannheim hat ergeben, dass politischer Nachrichtenkonsum im Vergleich zu nicht-politischen Inhalten seltener ist und stärker mit der eigenen politischen Vorprägung zusammenhängt. Besonders auffällig ist diese Entwicklung in den USA, wo die konservativsten Nachrichtennutzer*innen dazu neigen, stark rechtsgerichtete Quellen für politische Nachrichten zu bevorzugen.

Die Untersuchung basiert auf den Web-Browsing-Daten und Umfragedaten von über 7000 Teilnehmenden aus sechs entwickelten Demokratien. Die Ergebnisse zeigen, dass auf Nachrichtenseiten politische Inhalte deutlich seltener konsumiert werden als nicht-politische Inhalte wie Sport oder Unterhaltung. Wenn politische Nachrichten konsumiert werden, entsprechen die Nachrichtenquellen oft der ideologischen Vorprägung der Nutzer*innen. Beispielsweise bezogen konservative amerikanische Teilnehmende politische Nachrichten am häufigsten von Fox News. In den USA ist dieses Muster besonders ausgeprägt, aber auch in europäischen Ländern wie Spanien und Italien zeigt sich ein ähnliches, wenn auch weniger stark ausgeprägtes Muster. Ein Blick auf die Dauer der individuellen Nachrichtennutzung zeigt zudem, dass sich Menschen intensiver mit politischen Nachrichten auseinandersetzen, die ihrer eigenen politischen Ideologie entsprechen. „Die Ergebnisse sind überwiegend konsistent mit der Literatur zu Mediensystemen und jüngeren Studien aus den USA. Neu ist jedoch, dass die Nutzer*innen bei der Auswahl von Nachrichtenquellen so stark von ihren Nutzungsinteressen wie Politik oder Unterhaltung geleitet werden“, so Sebastian Stier, Koautor der Studie und Professor für Computational Social Science an der Universität Mannheim sowie Leiter der Abteilung Computational Social Science bei GESIS.

Methodische Innovationen und künftige Forschungsrichtungen
Die Studie nutzt eine Kombination aus passiv erhobenen Web-Browsing-Daten und Umfragen, um die Grenzen traditioneller Forschungsansätze zu überwinden. Durch den Einsatz von maschinellem Lernen zur Unterscheidung von politischen und nicht-politischen Nachrichteninhalten konnten die Forschenden eine präzisere Analyse der Nachrichtennutzung vornehmen. Stier betont die Notwendigkeit weiterer Forschung: „Es ist wichtig, auch Wirkungsstudien durchzuführen, um ein umfassenderes Bild der Folgen von ideologisch geprägter Nachrichtennutzung auf die demokratische Willensbildung zu erhalten.“

Originalpublikation

Frank Mangold, David Schoch, Sebastian Stier: Ideological self-selection in online news exposure: Evidence from Europe and the US.Sci. Adv.10,eadg9287(2024). DOI:10.1126/sciadv.adg9287

Weitere Informationen und Kontakt

Pressemitteilung des GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften (GESIS)